Montag, 12. März 2012

Warum in die Ferne schweifen? Teil 4


Die Jacke wartet auf die erste Anprobe (Foto: Kathrin Emmer)


Getreu der kontinentaleuropäischen Schneidertradition findet die erste Probe ohne Ärmel statt
(Foto: Kathrin Emmer)

Die erste Anprobe fand zwei Monate später statt und ich war sehr angetan. Anders als bei den Briten sah das Teil auch in diesem Stadium ordentlich aus, die Ärmel fehlten natürlich noch. Viel zu tun gab es nicht. Die Schulter wurde neu gesteckt, um den Fall des Revers zu optimieren, ich bat ansonsten nur darum, die Gesamtlänge zu kürzen. Die Hose war auf Anhieb optimal gelungen. 

Die Rückansicht der Jacke mit Kreidemarkierungen (Foto: Kathrin Emmer)

Einige Wochen später bekam ich dann per E-Mail die erfreuliche Mitteilung, dass ich zur zweiten Probe kommen kann. Wenige Tage darauf erklomm ich erneut die Stufen zu Kathrin Emmers Atelier im Berliner Stadtteil Wedding. Die Jacke des Anzugs wartete auf einer Schneiderbüste, die Hose hing auf einem Bügel am Paravent. Ich hatte mir wieder ein Paar Hosenträger mitgebracht und knöpfte sie an das Beinkleid, dann zog ich es über. Es war nun komplett fertiggestellt mit handgenähten Knopflöchern am Hosenschlitz und Seitenschnallen. Die Hose saß wie gewünscht und hielt auch der kritischen Überprüfung durch die Meisterin stand. Anschließend ließ ich mir in die Jacke helfen und blickte in den Spiegel. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Mein Londoner Schneider John Coggin hat einmal gesagt, dass er für diese Sekunde arbeitet. Entweder, der Kunde macht ein zufriedenes Gesicht oder er ist nicht wirklich zufrieden. Und wenn der Kunde nicht zufrieden ist, wenn der Schneider nicht ins Schwarze getroffen hat, nützen keine Argumente, hilft kein gutes Zureden. Vielleicht wird der Kunde gar nicht diskutieren oder reklamieren. Aber er wird nicht wiederkommen. Ich aber war zufrieden. 

Im blauen Blazer von Heinz-Josef Radermacher mit Prinz Franz-Friedrich von Preussen in Potsdam
(Foto: Bernhard Roetzel)

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